Ein persönlicher Austausch mit Psychoonkologin Rosamaria Jell.
Rosamaria Jell ist Psychotherapeutin und Psychoonkologin und noch ziemlich einiges mehr. Sie hat umfassende Erfahrung in der Begleitung von Patienten und Angehörigen. Die eigene Krebserkrankung hat sie darin bestärkt, ratsuchende Patienten und Angehörige professionell zu unterstützen.
Viele Interessenten von helgahilft.com stellen sich die Frage, was die psychoonkologische Begleitung eigentlich ist? Im Interview erklärt uns Rosamaria, wie die Gespräche den Weg durch die Erkrankung und Behandlung unterstützen können.
Liebe Rosamaria, wie erklärst Du “Psychoonkologie” jemandem, der noch nie davon gehört hat?
Wenn man die Diagnose „Krebs“ bekommen hat, ist das für die meisten Menschen, als hätten sie gerade ihr Todesurteil gehört. Es verursacht meist heillose Angst und im ersten Moment weiß man oft gar nicht, mit wem man darüber reden könnte. Gerade nahestehende Angehörige möchte man damit nicht belasten.
Es wäre gut, wenn man schon in dieser Phase den Kontakt zu Psychoonkologen haben könnte, um die Gedanken zu sortieren und sich darüber klar zu werden, dass einen die Krankheit zwar aus dem Alltag reißt, aber deshalb nicht unbedingt sofort aus dem Leben.
Psychoonkologen sind dafür geschult, diese Ängste und Befürchtungen mit den Betroffenen zu tragen und Strategien zu erarbeiten, wie man am besten damit umgeht.
Welche Themen kommen in Deinen Gesprächen häufig vor, bzw. wobei kannst Du den Patienten gut helfen.
Betroffene haben vielleicht schon erste Therapien hinter sich und jetzt steht eine Untersuchung an und sie haben Angst vor dem Ergebnis. Als Psychoonkologin hat man keinen Einfluss auf das Ergebnis, aber man kann damit arbeiten, dass – egal wie das Ergebnis sein wird – das Leben zumeist immer noch Seiten hat, die trotz allem auch schön sind.
Was ist ein guter Zeitpunkt für psychoonkologische Begleitung?
Ich denke, es gibt keinen „guten“ und somit auch keinen „schlechten“ Zeitpunkt. Der richtige Zeitpunkt ist der, an dem jemand merkt, dass die Belastung zu groß ist und er/sie sich Unterstützung holen möchte.
Gibt es Tipps, welche Fragen ich mir selbst dazu stellen kann, um herauszufinden, ob ich eine Begleitung aufsuchen sollte?
Wie sehr belastet mich die gerade erhaltene Diagnose? Wie sehr kreist mein Denken darum? Kann ich mich noch ablenken? Verdrängen ist ein durchaus legitimes Mittel, damit umzugehen, sofern es mich nicht davon abhält, die nötigen Untersuchungen und Therapien durchführen zu lassen.
Die schlechteste Möglichkeit ist Resignation: Wenn Sie Hoffnungslosigkeit in sich spüren und denken, da könne man ja sowieso nichts mehr machen, dann sollten Sie sich auf jeden Fall psychische Unterstützung holen.
Wenn Ihnen auffällt, dass Ihre Gedanken unaufhörlich um die Krebserkrankung kreisen, dann sollten Sie professionelle Hilfsangebote annehmen.
Es besteht nämlich die Gefahr, dass Sie auch im wohlmeinendsten Freundes- und Familienkreis irgendwann Ermüdungserscheinungen zu bemerken glauben und es kann sehr kränkend sein, zu meinen, die anderen interessieren sich nicht für einen. Dieser Eindruck kann sehr schnell entstehen, auch wenn er nicht zutrifft.
Das erste Kennenlernen ist sicher ein wichtiger Moment, können sich Klienten darauf vorbereiten?
Sie als Klientin können sich fragen, was Sie von diesem Kontakt erwarten. Was möchten Sie wissen? Wobei möchten Sie, dass Ihnen geholfen wird? Was soll am Ende herauskommen, sodass Sie sich sagen können: „Ja, ich bin zufrieden!“?
Wie häufig kommen Deine Klienten zu Dir in die Videoberatung – gibt es da Empfehlungen?
Manche kommen über einen längeren Zeitraum wöchentlich, manche möchten nur einmal im Monat sprechen. Wieder andere brauchen überhaupt nur ein oder zwei Gespräche. Das sollte jedes Mal individuell gestaltet werden.
Was ist Deine Meinung zum Thema Videobegleitung? Wo liegen die Vorteile, wo sind eventuell auch Grenzen?
Der Vorteil einer Videobegleitung liegt natürlich darin, dass man unabhängig von lokalen Beschränkungen ist und dass man als akut Erkrankter auch vom Bett aus Kontakt halten kann.
Und tatsächlich kann sich auch in einer Videobegleitung ein sehr enger Kontakt einstellen, der der direkten Beziehung kaum nachsteht.
Andererseits ist man als Psychotherapeut auch darauf trainiert, Wahrnehmungen am Rande des Gewahrwerdens zu machen, z.B. sinnliche Eindrücke: Gerüche, die etwas über das Wohlbefinden oder Nicht-Wohlbefinden eines Kranken aussagen können, die man online nicht wahrnimmt; Geräusche, die man bei einem Gegenübersitzenden hören würde, die aber durch das Mikrofon herausgefiltert werden; Bewegungen, die man live sehen würde, die aber nicht im Kamerabereich sind. Ob ein Mensch über- oder untergewichtig ist, muss ich mir erzählen lassen, ich kann es nicht sehen. Das sind alles Informationen, die ich nicht habe, wenn man „nur“ online kommuniziert.
Aber natürlich wird vieles davon durch den Vorteil, überhaupt Kontakt haben zu können, aufgewogen.
Mein persönliches warum?
Warum bist Du Psychoonkologin geworden, was war Dein Beweggrund?
Nach meiner eigenen Krebserkrankung habe ich gesehen, dass ich jetzt den Mut habe, mich dieser Diagnose auch bei anderen zu stellen. Ich habe gemerkt, dass ich es selbst aushalte und dass ich deswegen andere gut ein Stück weit begleiten kann.
Wenn Du Dir etwas wünschen hinsichtlich der Rahmenbedingungen für psychoonkologischen Begleitung, was wäre das für Dich?
Finanzielle Sicherheit! Ich würde mir wünschen, dass Menschen, die diese Diagnose bekommen haben, sich psychoonkologische Begleitung holen können, unabhängig von ihrem finanziellen Background.
Wie entspannst Du Dich oder was sind Deine Hobbys, die Dir Kraft und Energie geben?
Krimis lesen, stricken, Fahrrad fahren, mich mit Freunden treffen, Kino.
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